Die Umfrage unserer Initiative HIVISION100 zeigt, welche Hürden einer höheren HIV-Diagnoserate hierzulande im Wege stehen.
In Deutschland wissen 90 % der Menschen mit HIV von ihrer Infektion. Das klingt zwar im ersten Moment nach viel, bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass etwa 8.600 Menschen mit dem HI-Virus infiziert sind, ohne es zu wissen.1
Doch was hindert uns daran, eine höhere Diagnoserate zu erreichen – oder sogar jedem Menschen mit HIV zeitnah die Diagnose und damit verbunden die passende Therapie zu ermöglichen? Wie könnte Deutschland den Weg zur einhundertprozentigen Diagnoserate bestreiten?
Diesen Fragen sind wir gemeinsam mit Vertretern aus Medizin und der HIV-Community in der Umfrage „Hürden in der HIV-Diagnose“ auf den Grund gegangen. Und so viel sei vorab verraten: Es gibt noch einiges zu tun.
Die Aufklärung rund um HIV ist nach wie vor ein wichtiges Thema. Etwa ein Viertel der Befragten (26 Prozent) hält die flächendeckende Aufklärung für den nötigsten Schritt in Richtung einer besseren HIV-Diagnoserate.
Und dabei beginnt Aufklärung mit dem wohl offensichtlichsten Thema: Verhütung, durch die eine HIV-Infektion beim Geschlechtsverkehr verhindert werden kann. Aber auch den Fragen, was genau HIV eigentlich ist und wie sich die Infektion äußert, sollten aus Sicht der Umfrage-Teilnehmer:innen in der öffentlichen Debatte mehr Raum gegeben werden. Doch hört Aufklärung hier noch nicht auf, sondern reicht hin bis zum Wissen darüber, wo und wie man sich auf HIV testen lassen kann – ein zentraler Punkt für die Verbesserung der Diagnoserate in Deutschland.
Subjektives Schamgefühl und Angst spielen im Zusammenhang mit HIV eine zentrale Rolle. Dabei geht es z.B. um Furcht vor einem möglicherweise positiven Testergebnis, welche so groß sein kann, dass das eigene Ansteckungsrisiko komplett verdrängt wird. Hinzu kommt die Sorge vor Stigmatisierung, die mit einer HIV-Erkrankung auch heute in Verbindung gebracht wird. Auch die Tabuisierung von sexuell übertragbaren Krankheiten allgemein, sowie von möglichem Risikoverhalten für eine Ansteckung mit HIV (z.B. wechselnde Sexualpartner:innen oder Drogengebrauch) spielen dabei eine erhebliche Rolle. Dies alles kann die persönliche Bereitschaft einen HIV-Test zu machen negativ beeinflussen.
Dabei herrscht aus Sicht von 74 Prozent der Teilnehmenden bei „allen, die ungeschützten Geschlechtsverkehr haben“ – also durchaus auch in der Allgemeinbevölkerung – Bedarf für eine höhere HIV-Testrate, gefolgt von Menschen mit Migrationshintergrund und MSMs (Männer, die Sex mit Männern haben) mit je ca. 40 Prozent (Doppelnennung möglich).
Egal ob Hausarzt, Gynäkologe, Urologe… Ärzte sind häufig die erste Anlaufstelle in Gesundheitsfragen aller Art. Im Idealfall erkennen diese direkt, welchen Patienten und Patientinnen ein HIV-Test angeboten werden sollte.
Mit HIV assoziierte Symptome zu erkennen ist allerdings, insbesondere kurz nach einer Infektion, schwierig – z.B. sind grippeähnliche Symptome, die in dieser Phase auftreten können, sehr unspezifisch und werden daher oft nicht als mögliche Anzeichen für HIV erkannt.2 Erst später im Krankheitsverlauf kommt es zu Symptomen, die deutlicher auf eine HIV-Infektion hinweisen, wie Markererkrankungen, z.B. Herpes zoster, oder AIDS-definierende Erkrankungen, wie z.B. das Kaposi-Sarkom.3 Für die Umfrage-Teilnehmer:innen ist, dass frühe und teils auch späte Symptome, die auf HIV hindeuten können, nicht gleich erkannt werden eine der wichtigsten Hürden für eine höhere HIV-Diagnoserate in der Arztpraxis.
Dies wird noch dadurch erschwert, dass im Praxisalltag Fragen nach Risikoverhalten für eine mögliche HIV-Infektion (z.B. Sexualkontakte, Drogengebrauch) zu selten Teil des Arzt-Patienten-Gesprächs sind.
Mehr Testangebote führen zu mehr HIV-Diagnosen? Klingt logisch, ist aber laut Umfrage-Ergebnis durchaus komplizierter.
Zwar gibt es für einige der Befragten insgesamt zu wenige finanzierbare, niedrigschwellige und anonyme Testmöglichkeiten, doch für andere liegt das Problem vielmehr darin, dass die bestehenden Angebote nicht bekannt genug sind. Hinzu kommen Unterschiede zwischen urbanen und ländlichen Gebieten sowohl in der Art der Testangebote, als auch deren Erreichbarkeit.
Rund ein Drittel der Umfrage-Teilnehmer:innen bemängelt außerdem, dass das Thema HIV in den Medien zwischen anderen aktuell brisanten Neuigkeiten untergeht und eine zu geringe Rolle spielt – wodurch die Awareness für das Thema HIV in der Gesellschaft leidet.
Die Diagnoselücke zu schließen, damit HIV eines Tages Geschichte ist – das ist das erklärte Ziel der HIVISION100. Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen, wird das Steering Committee der HIVISION100, ein interdisziplinäres Gremium aus Vertretern der Community und Medizin, gemeinsam mit uns von Gilead Lösungsansätze (weiter-) entwickeln, um heute in Deutschland bestehende Hürden schnellstmöglich überwinden zu können.
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